Eingefroren bei 30 Grad

Frei nach dem Motto ‚weiche Schale, weicher Kern‘ habe ich mir im Hinblick auf den Trip eine dicke geleeartige Masse um das zarte Pflänzchen in meinem Brustinneren antrainiert. Diese schützt mich außerordentlich gut vor äußeren Einflüssen wie Laub und sanften Windböen, aber nicht, wenn Leute vor mir im Zug tuscheln und ich denke, dass sie über mich reden und dann plötzlich anfangen zu lachen und ich mir sicher bin, dass ich einen Popel am Nasenausgang hängen habe, weil ich kurz vorher ein Bild im Internet gesehen habe, wie ein Hund mit Brille über seinen Steuern sitzt („This year’s gonna be ruff. We have to let the cat go.“) und mich das amüsiert hat, weil – sind wir mal ehrlich – Hunde, die ihre eigenen Steuern machen, das ist schon ziemlich weit hergeholt, aber aus Respekt vor den cleveren Blindenhunden, die wahrscheinlich die Steuern für ihre Blindenherrchen machen, weil, wer sonst sollte es machen?, war mir trotzdem nicht zu übermütigem Lachen zumute, und deswegen hat es nur dazu gereicht, Luft durch meine Nase rauszuschnaufen, aber statt einem freien Luftzug ist da – glaub ich zumindest – ein wenig gedörrter Schleim im rechten Nasenloch festgepfropft und wird nun auf meiner Fensterbank in den buschigen Nasenhaaren präsentiert.

Die lachenden Leute in der Bahn, die möglicherweise über dich lachen. Gelee hin oder her.

Die verunsichern.

Dinge, die mich noch verunsichern:
1.) Jedes Mal, wenn Thomas de Maizière den Mund öffnet.
2.) In einem fremden Land ankommen und merken, dass die Kreditkarte gesperrt wurde, weil jemand auf Bali eine Kopie davon gemacht und dann 500 Euro abgehoben hat.

Skimming klingt wie der unlustige Part, wenn man beim Wasserski untergeht und dann mit Skiern im Wasser rumdümpelt. („Du hast versagt. Du musst zurück ans Ufer skimmen.“) Ist es aber nicht.
Skimming ist der unlustige Part, wenn man beim Geldabheben nicht achtgibt und jemand deine Kreditkarte kopiert, deine Geheimzahl aufschreibt und sich an dir bereichert. Nicht nur finanziell. Auch emotional. Geld und gute Laune werden hier von Person B (B wie besseraufpassennächstesmal) zu Person R (R wie Riesenarschloch) transferiert. Ich bin mir nicht zu 100 % sicher, wo es passiert ist, habe aber eine Theorie:

Theorie (Alle handelnden Personen sind frei erfunden oder es ist tatsächlich so passiert. In dem Fall sind alle handelnden Personen echt.)

Der indonesische Jüngling, nennen wir ihn BinTang, ist sich im Klaren, dass er unter schwierigen Verhältnissen aufgewachsen ist. Der Vater, nennen wir ihn BinTang 750ml, ein trinkender Schläger vollführt nach der Geburt seines Sohnes eine 180°-Wandlung und wird ein schlagender Trinker. Nach der falschen Kindheit die falschen Freunde in Kombination mit den falschen Entscheidungen, die machen das Leben im Inselalltag aufregend. Jetzt bringt er grade die kleine Kamera über dem elektronischen Aufsatz beim Geldautomaten an. Er war schon immer gut in Pacman. Skimming ist da nur das zweite Level.
Dann schreitet ein gutaussehender Westeuropäer mit einem beachtlichen, primären Geschlechtsorgan in den Raum. Er schaut sich um und lächelt wie jemand, der alle Gegenstände bis 38,4 Zentimetern ziemlich genau abschätzen kann. Direkt hinter dem gutaussehenden Westeuropäer mit dem beachtlichen primären Geschlechtsorgan stehe ich und starre gelangweilt auf den westeuropäischen Schatten eines primär Gutaussehenden.
Das westeuropäische Geschlechtsorgan stellt sich an den rechten Geldautomaten. Der Handwerker ist gerade fertig damit, den linken Geldautomaten zu reparieren, und winkt mich zu sich.
„Lucky me.“ lächle ich ihn an.
„Ich werde dich beklauen, du dämlicher Trottel.“ sagt der freundliche Mann auf Indonesisch und klopft mir auf die Schulter.
„And a lovely day to you, too!” Ein freundliches Völkchen. Nur so furchtbar naiv.
Der primäre Westeuropäer rechts von mir gibt seine Geheimzahl ein. Er hat dabei die Arme hinter seinem Rücken verschränkt.
„Beachtlich.“ denke ich und desinfiziere meine Hände und Augen.

Theorie Ende.

Dinge, die mich beruhigen:
1.) Jedes Mal, wenn Thomas de Maizière schläft. Aber nur mit geschlossenem Mund. Seit der Begradigung der Nasenscheidewand ist das schon viel besser geworden.

Sagt zumindest Frau de Maizière.

Mit zittriger Stimme.

(„Teile der Nächte neben Thomas haben mich nachhaltig verunsichert.“)

2.) In einem fremden Land ohne Geld ankommen und merken, dass dich deine ehemalige Kommilitonin mit ihrem Verlobten vom Flughafen abholt und dich auf eine asiatische Suppe auf einem asiatischen Markt auf dem australischen Kontinent einlädt. Du erstmal auf unbestimmte Zeit bei den beiden unterkommen darfst und in deinem glücklichen Spiegelbild kein Popel an der Nase hängt.

Armer glücklicher Martin

2 Gedanken zu “Eingefroren bei 30 Grad

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