Kaka Point ist ein Ort in Neuseeland

Der neuseeländische Berg, den wir drei gerade mit dem Auto passieren, ist übersät von wettergegerbten Büschen. Egal ob Wind, Regen, Sturm oder Eiszeit – trotzig überdauern die Sträucher alles und jeden. Oder wie meine Mutter so passend hinten aus dem Auto beschreibt: „Schau mal die puffeligen Gebüsche – wie kleine Wollmäuse auf einem Pullover.“ Wir fahren weiter und vormals stolzes Buschwerk geht traurig ein.

Der Roadtrip mit meinen Eltern auf der neuseeländischen Südinsel ist in vollem Gange. Stiefvater am Steuer. Mutter gibt Kekse und gute Ratschläge von der Rückbank nach vorne. Ich fungiere als Beifahrer und kümmere mich gewissenhaft um die Verspeisung der Kekse. Nach meinen zwei Monaten in Sydney mit einem richtigen Heimatgefühl gibt es nur ein Ziel: viele Ziele.
Fünf Tage vorher kommen die beiden in der südlichen Hemisphäre an. Für einen Jetlag haben sie keine Zeit. Wir treffen uns am Flughafen in Sydney und steigen zusammen ins Flugzeug Richtung Christchurch. Nach der Ankunft geht der Roadtrip sofort los, und ist wie eine Hinrichtung per Strick: atemberaubend.

Wauzi Kapauzi

Neuseeland ist wie Australien nur in schön. Bitte nicht falsch verstehen. Australien ist wunderschön. Aber wenn Australien eine attraktive Dame wäre, dann ist Neuseeland die Gewinnerin des Miss World-Wettbewerbs. Beide begeistern die Massen und wollen den Weltfrieden. Und wenn es einen Ort gibt, bei dem man an Frieden denkt, dann ist das Neuseeland. In Australien will dich alles vergiften und dafür sorgen, dass du langsam und qualvoll zugrunde gehst. Selbst, wenn du ein süßes Känguru-Baby auf dem Arm hältst, läuft dir der Angstschweiß und der Schweißschweiß heißkalt den Rücken runter. Du stierst dem Jungtier in seine wässrigen Knopfaugen und in ihnen spiegeln sich zwei kleine Atompilze. Das Känguru gibt dir mit einem verschmitzt-nordkoreanischen Lächeln zu verstehen, dass es dich auf der Stelle ausradieren möchte. Nur weil es nicht kann, heißt das noch lange nicht, dass es nicht will.
Dagegen auf der Nachbarinsel: Hier ist der Kiwi das Symbol für die nationale Luftwaffe. Ein kleiner, putziger, flugunfähiger Vogel. Siehe auch Definition: Pazifismus.

Die Natur streift sich hier ein sexy Negligé über: Endlich kann man die Gedankengänge tüchertanzender Tofu-Hippies nachvollziehen, wenn sie Bäume umarmen. Spätestens ab der zweiten Woche sitzt man im Wald und hat ein romantisches Date mit einem zwölf Meter großen Kauri-Baum. Ich schütte uns Wasser nach. „Ich mag deine robuste Art,“ flüstere ich ihm verträumt zu. Der Baum erwidert – nichts. „Und wer hätte gedacht, dass ich am anderen Ende der Welt jemanden treffe, der auch einfach mal zuhören kann,“ sage ich, während ich eines seiner Blätter durch meine Finger gleiten lasse. Der Baum wiegt sich kaum spürbar im Wind. „Außerdem gibt es weit und breit niemanden mit so einem riesigen…“ „Stop“, unterbricht der Baum hölzern, „you’re weird. Please leaf!“ Neuseeländer im Allgemeinen nehmen kein Blatt vor den Mund.

Haltung 10 Punkte. Meine Mutter kriegt nur 4.

Was ist das schönste menschliche Geräusch? Das purste Geräusch? Eins, das nur mit Freude in Verbindung gebracht wird? Es ist in Neuseeland zu Hause. Wenn man den Must-See Orten hinterherfährt, dann ist man auch immer Teil der Touristenschwärme. Man hört das schönste Geräusch, und zwar gebündelt, wenn zehn Touristen auf einem Boot stehen und von links nach rechts hechten, um die kleinste Delfinart der Welt zu bestaunen. Ein Gemisch aus beeindruckten „Oooh’s“ und „Awww’s“ rausgelächelt aus fröhlichen Gesichtern. Ein „Oooh“ wie „ja, ich hatte die Kreuzdame; wie hast du das gemacht?“ und ein „Awww“ wie „das Katzenbaby trägt ein Löwenkostüm, hau mich blau, ist das putzig“. In diesem Fall ist es ein auftauchender Hector-Delfin, der vor der Ostküste Neuseelands den Kanon der Glückseligkeit provoziert. Mit allerlei Tierbabys und anderen Naturwundern trägt uns das Geräusch über die Südinsel. Von Ort zu Ort. Über kilometerlange Straßen durch eine Landschaft, die häufiger ihr Gesicht umpinselt, als ein YouTuber „Schminktutorial“ sagen kann. Felsige Gesteinswüsten werden zu pappsatten Grashügeln werden zu einem Jurassic-Park-Urwald. Alles innerhalb von zwei genussvollen Keksen. Oder vier schnellen.

Die Brücken am Kies. Imdb-Wertung: 2.4

Von Akaroa über Oamaru nach Moeraki. Die Ortsnamen klingen, als hätte Pocahontas das Navi eingesprochen. Die selbstbewusste Geschichte der Māori fährt immer mit. Sie ist auch heute noch Teil des täglichen Lebens. In Australien, wo die Ureinwohner nahezu ausgerottet wurden, sieht das anders aus. Die letzten Verbliebenden sind dort – ohne Respekt auf Herkunft oder Stammeszugehörigkeit – in verschiedene Ghettos zusammengepfercht und stümperhaft in die Gesellschaft integriert. Und das alles, weil man dem weißen Mann gutgläubig Tür und Tor zum eigenen Kontinent geöffnet hat.

Die Māori haben die ersten europäischen Siedler damals an der Küste mit offenen Armen aber auch mit gewetzten Messern begrüßt. Der nördlichste Punkt der Südinsel hieß lange Zeit Murdereres Bay, da ihr niederländischer Entdecker Abel Tasman mit vier Besatzungsmitgliedern landete und nach einem mäßig erfolgreichen Māori-Meeting alleine zurückpaddeln durfte.

100 Jahre später war es dann James Cook, der die Bucht in Golden Bay umbenannte. Ist heute in der Tourismusbranche marketingtechnisch auch einfacher an den Mann zu bringen. „Vergessen Sie ihre Sorgen in Murderers Bay“… – liest sich nicht gut im TUI-Prospekt.

Schiteine

Aber das ist nur einer von vielen Gründen, warum die Historie der Māori bis heute gelebt und respektiert wird. Und genau das ist nur einer von vielen Gründen, warum ich euch Neuseeland wärmstens empfehlen kann. Nicht unbedingt mit meinen Eltern zusammen, weil das meine Eltern sind. Sucht euch bitte eigene Eltern. Und dann viel Spaß in Neuseeland.

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