Ich kenne Conrad und Vince schon fast mein gesamtes Leben.
Nachdem ich aus meiner Mutter rausgefallen bin, war der kleine Vincent natürlich noch nicht mehr als ein flirtives Blinzeln im Augenwinkel seines Vaters. Aber Conrad war da. Kurze Zeit später hat er mir alles Notwendige fürs Leben beigebracht: bei Tischtennis verlieren und bei Videospielen verlieren.
In der Grundschule sind Conrad und ich morgens immer zusammen zur Bushaltestelle und haben auf dem Weg nach Dosen gesucht, um neben der Straße zu kicken. Das war zu der Zeit, als Dosenpfand noch ein flirtives Blinzeln im Augenwinkel von Jürgen Trittin war. Nordlicht Vincent stieg damals von Muttermilch auf Fischfrikadellen um und unsere Wege hatten sich noch nicht gekreuzt.
Zur Gymnasialzeit gingen die Streitigkeiten zwischen Conny und mir meistens darum, wer morgens noch später duschen kann. Vincent hat zu diesem Zeitpunkt auch irgendwo gelebt und irgendwas gemacht. Bin ich mir ziemlich sicher sogar.
Während meiner Pubertät bekam ich einen prachtvollen Vollbart an einer winzigen Stelle meines Kinns und gelegentlich (Rat-) Schläge meines Bruders. Vince wuchs zu einem blonden Jüngling heran. Obwohl man schon in der Luft fühlte, dass es eines Tages eine kraftvolle Verbindung zwischen uns geben sollte, war mir seine Existenz noch unbekannt.
Conrads Rufname wandelte sich über die Jahre von Conny zu Gillette und dann zu Ponny. Bei einem Starbucks Besuch stand auf seinem Kaffeebecher zuletzt Congrats. Das gefiel ihm nicht und genau das gefiel mir daran so gut, dass die Namensfindung bis auf weiteres abgeschlossen ist. Vincent wurde zu Vince, weil es eine logische Abkürzung in einer globalisierten Welt ist, in der keiner mehr Zeit für die schönen Dinge im Leben hat. Und ich? Irgendwann riefen mich die Leute nur noch Martin und dieser alberne Name verfolgt mich bis heute.
Es kam dann der Tag, als mich Conrad in Bremen empfing. Er steckte damals tief in seiner Pilotenausbildung und teilte sich Flur und Badezimmer mit Vincent. Das Universum hat uns drei an diesem Tag zusammengeführt. „Ich muss dir den Vince unbedingt mal vorstellen.“ begrüßte mich mein Bruder an der Tür. Er klopfte vorfreudig an Vincents Zimmer aber keiner antwortete. Er hatte das Memo vom Universum nicht bekommen.
Die Einschläge kamen aber näher. Vor einigen Jahren stand Congrats Umzug in den Startlöchern und der Blondschopf Vince plötzlich vor mir. In einer Bonner Wohnung im vierten Stock erklärte er mit wenigen Worten und vielen Beschimpfungen, was er davon hält, das Conrad am Umzugstag noch nicht zu Ende gepackt hat. Vincent ist gradeheraus und ich wusste schon nach seinem ersten Satz mit wem ich es hier zu tun hatte. Wahrscheinlich weil er mich mit „Hi, ich bin Vincent.“ ansprach. Sehr faktenorientiert der Knabe. Wenn man ein Foto von ihm machen und es ausgedruckt auf einen Tisch legen würde, dann könnte man zu dem Tisch gehen und sagen: „Das ist ein Bild von einem Mann.“
Jetzt waren wir fast einen Monat zusammen auf Bali. Eine tolle Zeit. Diese zwei Halunken wirken auf den ersten Blick als wären sie im Leben angekommen. Die Karriereplanung ist auf Jahre gesichert, mit großen Beförderungschancen in einem Job, den beide lieben. Zu allem Überfluss warten in ihren schicken Wohnungen jeweils potenzielle Endfrauen auf ihre Rückkehr.
Dann lernt man sich in der Zeit aber auch intensiver kennen. Blickt hinter die Fassade. Wenn man nämlich das ganze Materielle zur Seite schiebt und sich charakterlich und emotional mit den Beiden auseinandersetzt, dann wird einem schnell klar, dass dieses nach außen getragene heile-Welt-Bild komplett der Wahrheit entspricht und man sich für die Zwei nur freuen kann.

Schweineromantisch.
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Einfach großartig! Es war toll einen Teil eurer Reise miterleben zu dürfen!!!
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