Monothematisch

Sollen wir jetzt alle aus dem Fenster starren? Auf keinen Fall, lieber auf den Schoß und ganz tief ins Internet rein.

Covid backwards is Divoc and Divoc is happeningCovid backwards is Divoc and Divoc is going on?

Wo warst du, als…?

Die Älteren von uns, wissen wo sie waren, als sie erfahren haben, wie eine Prinzessin in einem Pariser Tunnel einen tödlichen Autounfall hatte – die nächste Generation, als Flugzeuge in Gebäude krachten. Damals war sofort klar, wer die Bösen waren und wer die Guten. Paparazzi in Kombination mit einem betrunkenen Fahrer gegen eine Frau, die ein normales Leben wollte – Terroristen gegen die westliche Welt.
Doch dieses globale Ding, was grade durch all unsere Leben schippert und all unsere schönen Pläne voll mit Unwichtigem ruiniert, dieses Ding ist anders. Jeder ist potentielles Opfer und jeder ist potentieller Täter.

Die Welt ist ein Dorf, die Stadt eine Petrischale.

Damit wir draußen nicht mehr misstrauisch andere Menschen beaugapfeln müssen, wird selbst von unserer obersten Befehlshaberin empfohlen zu Hause zu bleiben. ‚Wir schaffen das‘, hat sie nicht gesagt, sondern nur lässig im Subtext mitschwingen lassen. Die Dame lernt aus ihren Krisen. Werden wir das auch?

Keiner weiß, was in unserem lokalen Exil passieren wird. Langzeitstudien zur aktuellen Lieblingsalliteration, der Corona-Quarantäne, gibt es selbstverständlich noch nicht. Vielleicht lohnt ein Blick auf das Nasa-Experiment von 2018. Auf Hawaii waren dafür sechs Menschen unter Laborbedingungen eingesperrt, um den Flug zum Mars zu simulieren. Das größte Problem wird da nämlich nicht die Metallröhre im unendlichen Vakuum sein, sondern die Zwischenmenschlichkeit bei den Menschlingen.

The World is our oyster. #staythefuckhome

Die erdischen Quarantäne-Ergebnisse aus China lassen zumindest auf eine intensive Zeit schließen. Nach überstandener Quarantäne sind die Standesämter für Scheidungstermine ausgebucht und die Liebe vielerorts sehr tot. Die Gründe liegen dabei auf der gewaschenen Hand: entweder der Mann war ein gewalttätiges Arschloch oder man konnte den emotionalen Problemen einfach nicht mehr aus dem Weg gehen. Das Vakuum war nicht irgendwo da draußen, sondern in den langen Gesprächspausen zwischen „Hast du den Müll rausgebracht?“ und „Ach, und sonst so?“.

Bevor man aber vor Langeweile noch eine Lungenentzündung bekommt, haben wir endlich genug Zeit für die Lektüre der Shampooflasche des kleinen Mannes: In unseren Smartphones.
Die Medien machen online das gleiche wie offline. Einige suchen Antworten (NDR Podcast mit Virologe Drosten), andere Schuldige (Bild: „China, wie es leibt und lügt.“). Wie der Hund den Postboten, jagen die Boulevardzeitungen schon seit Jahren die Massenhysterie. Jetzt, wo sie am Ziel ihrer Träume sind, wissen sie aber gar nicht wohin mit der ganzen Wut. Viel größer kann man die Überschriften nämlich nicht mehr machen.

Internet: Das da draußen für da drinnen

Bei Tick, Trick und Track unserer Informationsfamilie (reddit, Twitter und Instagram) geht’s um nichts anderes mehr als um Corona. Wie ein Keuchhusten werden Memes, Gifs und Videos rausgeschleudert, als würde es kein Morgen geben. Bei den zynischen Internetkreativen rund um den Globus gibt es das auch nicht. Irgendwo ist immer heute.
Millenials, Natives und GenZ ziehen die hysterischen Panikkäufer durch den apokalyptischen Kakao und in Indien freut man sich, dass man nach dem Toilettengang nur einen Eimer voll Wasser braucht. Die Aussicht auf den eigenen Tod ist dabei selten das traurige Ergebnis, sondern eher die erlösende Pointe. Dass Pornhub in Italien für die Quarantänezeit den Premium-Account umsonst anbietet, sorgt da vom Feeling her für ein gutes Gefühl. Erste Reaktion aus dem Netz: VPN runterladen, die digitale Staats-Serverschaft wechseln und mit einem freundlichen ‚Buongiorno‘ das viele Toilettenpapier anbrechen.

Hier eine Auswahl aller Memes:

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Die best-agenden Boomer und Boomerinnen kriegen davon nichts mit, weil man sich über die Minions auf Facebook scheckig lacht. Der letzte Trend unter den Internet-Zugezogenen ist der Gossip. In Zeiten der totalen Abschottung tut so ein bisschen Tratsch auch mal ganz gut. Sprachnachrichten von der Freundin von einer Freundin, die sich mal in der Wiener Uniklinik umgehört hat, transportiert etwas Besonders. ‚Ich weiß was, was die anderen nicht wissen.‘  WhatsApp als digitaler Gartenzaun und schon ist man Teil des erlesenen Kreises von hinter der Hand.
Die erste Regel des Inner-Circle-Clubs: Schön ’ne Kette drum und gib’s weiter.
Die zweite und goldene Regel: Keine Quelle – kein Problem.

Betörende Neuigkeiten

Es erreichen einen aber nicht nur gefakte schlechte Nachrichten, sondern auch echt gute. Apple bezahlt trotz geschlossenen Stores seine Angestellten weiter und ein französischer Milliardär entpuppt sich als Philanthrop und stellt den hygienischsten Duft überhaupt her: Desinfecto No5 – For Virus only.
Ärztinnen und Ärzte, Krankenpflegepersonal und Supermarktangestellte werden im Netz gefeiert und trotz der Horror-Nachrichten aus Italiens Krankenhäusern ist da doch ziemlich viel Hoffnung. Die Quarantäne-Bevölkerung versucht indes die Moral künstlerisch hochzuhalten, indem man Arien von den Balkonen schmettert.

Coro-na, ganz alleine hier? Mitnichten. Schaut euch diese nachdenklichen Sprüche mit Bildern aus dem Internetz an:

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Insgesamt also ein guter Testrun für eine entschleunigte Welt, wenn wir, nachdem wir die Menschheit gerettet haben, die Kohlen für den Planeten aus dem Feuer holen müssen.

Wir sitzen alle im gleichen Boot – nur jeder für sich.

Wenn wir jetzt ein bisschen mental zusammenrücken, während wir körperlich Abstand suchen, dann können wir das schlimmste abwehren (als Tipp das Zeit-Solidaritäts-Starter-Kit).
Wir werden zwar nicht alle überleben, schätzungsweise aber die meisten. Das wäre dann kein schlechter Schnitt für den viralen Untergang. Wenn wir dann irgendwann mal gefragt werden: Wo warst du als Corona auf der gesamten Welt wütete, kann die Antwort nur diese sein:

Wie jeder – zu Hause im Internet.

Text: M1 // Illu: olga

 

 

 

 

 

 

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